Vorab

Vorwort zu Jobst von Harsdorfs Werkkatalog „UNTERWEGS“ (2006)
Bedenkt man die Anstrengungen der Menschen in Jahrhunderten, sich ein Bild von der Welt zu machen, – bedenkt man die globale Bilderflut und den Bilderschub der Moderne des 20. Jahrhunderts – und damit verbunden die Innovationen digitaler Grafik-Programme und Bildgebungsverfahren, so könnte der Weg eines über-80-Jährigen, mit Feder, Pinsel und Druckstock arbeitenden Künstlers als überholt erscheinen. Jobst von Harsdorf kommt her von der klassisch-sachlichen Typografie und von einer Ästhetik der Buchillustration, die sich in der Nachkriegszeit zwischen Freiheit und Gebundenheit neu artikulierte.

Der vorliegende Werkkatalog zeichnet den Weg nach, den Harsdorf ging. Schon bald nach ersten Erfolgen als Buchgestalter löst er sich aus der engen Zweckrationalität des Illustrativen und suchte nach künstlerischer Freiheit. Bilder, die er auf Arbeitsreisen und Erkundungswegen in Skizzenbüchern sammelte, bildeten Grundlagen für Themen-Reihen. Sie entwickeln, entfalten sich, korrespondieren miteinander, zeigen Wendepunkte und Stationen auf dem labyrinthischen Weg zwischen Notiz, Experiment und vorläufigem Ergebnis. Harsdorfs Kompass: Schulung des Auges, selbstkritische Bescheidenheit, nicht nachlassende Präzision der Formulierung und eine zunehmende Gelassenheit – Offenheit in der Wahrnehmung und Widerspiegelung der Welt in Form, Farbe und Rhythmus des Gestaltens.

Rainer B. Schossig